Künstlersozialabgabe – lästig aber wichtig

 

Viele Unternehmer hören anlässlich einer Sozialversicherungsprüfung zum ersten Mal von der Künstlersozialkasse (KSK) und der von ihr eingetriebenen Künstlersozialabgabe – und sind dann nicht selten erstaunt, dass sie für längst beglichen geglaubte, im weitesten Sinne künstlerische Dienstleistungen nachträglich 5,2% Künstlersozialabgabe auf den Netto-Rechnungsbetrag abführen müssen.  Unternehmer und Geschäftsführer ärgern sich darüber zu Recht – in der Praxis allerdings fast immer über die Falschen.  Vor allem bei Freiberuflern, die keine GmbHs sind, häufen sich die telefonische Kundenanfragen mit der (nicht selten vom Steuerberater angeregten)Bitte, inhaltlich korrekte Rechnung zu stornieren und die erneute Rechnungslegung so zu gestalten, dass kein KSK-Beitrag fällig wird. Was da wie eine harmlose Bitte daherkommt, ist in jeder Hinsicht problematisch.  Auch wenn wir als Werbeagentur natürlich keinen rechtlichen Rat geben dürfen: Unsere Sicht auf die komplizierten Rechtslage und die tatsächlich kuriose verwaltungsrechtliche Praxis der Künstlersozialkasse zu kommunizieren – und dabei auch zu kritisieren – muss erlaubt sein.

Die Künstlersozialkasse ist sinnvoll!
Faktisch schließt die KSK nicht nur für freiberufliche Künstler, sondern auch für freiberufliche Grafiker, Webdesigner, frei Journalisten und Publizisten eine Sozialversicherungslücke: Da bei diesen Berufsgruppen (1) ein Arbeitgeber zur anteiligen Mitfinanzierung der Sozialversicherungsbeiträge ausfällt, (2) es zugleich keine berufsständischen Versorgungswerke gibt und (3) die Einkommen (auch) dieser kleinen Selbständigen oft weit hinter denen klassischer (meist akademisch gebildeter) Freiberufler und Selbständiger zurückbleiben, mitfinanziert die KSK die Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge ihrer Mitglieder zu 50%. Am Grundgedanken der Künstlersozialabgabe,  die Verwerter künstlerischer bzw. publizistischer Arbeit an der sozialen Absicherung von Künstlern und Publizisten zu beteiligen, ist nichts zu kritisieren. Wie aus einer an sich guten Idee ein bürokratisches Ungetüm wird, zeigt das Beispiel KSK exemplarisch.

Die KSK-Beitragspraxis verdient jede Kritik
Ich wage die These: Wäre der KSK-Beitrag eine Art Sondersteuer auf die Verwertung im weitesten Sinne künstlerischer Vorprodukte und das Verwaltungshandeln hinsichtlich Mitgliedschaft, Beitragspflicht und Beitragserhebung transparenter, würden die Unternehmen anfallende Beiträge mit der gleichen Selbstverständlichkeit abführen, wie Dutzende anderer Sonderkosten auch. In der Praxis ist wohl das größte Problem, dass die Beitragspflicht nicht von einem objektiven Tatbestand abhängt – und systematisch eben keine Sondersteuer auf eine bestimmte Freiberufliche Dienstleistung darstellt.

KSK versteht kein vernünftiger Mensch
Wenigstens der unbestimmte Rechtsbegriff der „nicht nur gelegentlichen“ Auftragserteilung  wurde mittlerweile konkretisiert, seit 2015 tritt eine KSK-Beitragspflicht ein, wenn die Gesamtsumme aller gezahlten Entgelte in einem Kalenderjahr 450 Euro übersteigt. Sie haben richtig gelesen: Nicht der Künstler oder Publizist macht sein Arbeitsergebnis beitragspflichtig, sondern das Nutzungsverhalten eines Unternehmens! Es spielt für die Beitragspflicht übrigens auch keine Rolle, ob der beauftragt Künstler oder Publizist selbst Mitglieder der KSK ist. Die Praxis ist hier tatsächlich kurios: Auch die Arbeit von Freiberuflern, denen die KSK nachweislich eine Mitgliedschaft verweigert, ist prinzipiell abgabepflichtig.

GmbH-Privileg ist Diskriminierung
Der einzig klare Bezugspunkt in Sachen KSK ist zugleich pure Willkür: Ist der Rechnungssteller eine juristische Person, also eine GmbH,  OHG, KG oder eine Mischform aus diesen, besteht grundsätzlich keine Abgabepflicht an die Künstlersozialkasse. Sie lesen schon wieder richtig:  Auf die Dienstleistungen großer Unternehmen der Medien- und Werbebranche – mithin also die maßgeblichen Verwerter von freiberuflicher künstlerischer und publizistischer Arbeit – werden keine KSK-Beiträge erhoben.  Sie sind vom Gesetzgeber von der Solidarität mit freien Künstlern und Publizisten freigestellt! An dieser Stelle auf die Rechtsform abzustellen, entzieht sich jeder Logik – vermutlich ist es einmal mehr das Ergebnis erfolgreicher Lobbyarbeit. Faktisch diskriminiert dieses „GmbH-Privileg“ sogar die KSK-Mitglieder, also freiberufliche Künstler und Publizisten, im Wettbewerb mit den Markführern der Kommunikationsbranche – da ihre Dienstleistungen ohne eigenen Einfluss, perfekt rechtmäßig wohl bereits beim Einbuchen, spätestens jedoch beim Jahresabschluss, wenn die übers Jahr hin aufgelaufene Summe festgestellt ist, mit einem  5,2% KSK-Aufschlag versehen werden müssen.

KSK-Beitrittshürden sind zu hoch
Die Tatsache, dass vermutlich 75% aller in der Kommunikationsbranche entstehenden und verwerteten künstlerischen Leistungen (über die Rechtsform des Unternehmens das sie verwertet) KSK-beitragsfrei sind, führt systemisch zu einer chronischen Unterfinanzierung der KSK. Das hat zwei sehr unangenehme Konsequenzen für Betroffene. Einerseits sind die Beitrittshürden für die Künstler und Publizisten gleichermaßen realitätsfern wie bürokratisch – und verfolgen offensichtlich das Ziel, die Mitliederzahlen möglichst gering zu halten. Andererseits scheinen eben jene Unternehmen, die in den KSK-Aufnahmeanträgen der Künstler als Nachweis ihrer künstlerischen respektive publizistischen Arbeit bezeichnet werden (müssen), vermutlich ganz und gar unabhängig vom Erfolg des Beitrittsantrags, vorzügliches Ziel künftiger Sozialversicherungsprüfungen zu werden.  Vielfach wird daher kritisiert, die KSK schade ihren (potenziellen) Mitgliedern.

Freie Künstler und Publizisten sind jeden Euro wert!
In der Praxis, das dürfte die Kunden freier Künstler, Publizisten und vor allem (der Rechtsform nach) kleiner Kommunikations- und Werbeagenturen am meisten interessieren, wird aus dem scheinbaren „Aufschlag“ nur selten ein rechenbarer Nachteil  für ein Unternehmen. Denn in kleinen, inhabergeführten Unternehmen „kaufen“ sie künstlerische oder publizistische Leistung quasi direkt vom „Hersteller“ – statt, wie bei großen Agenturen verbreitet, Praktikantenarbeit zum agenturüblichen Stundensatz – aber immerhin ohne KSK-Aufschlag.

Bitte keine Rechnungen umschreiben lassen
Erfolgreiche Unternehmer sind zwingend kostensensibel, dafür haben auch freiberuflich Dienstleistende volles Verständnis. Der Bitte, eine Rechnung nachträglich substanziell, also „KSK wirksam“ abzuändern, kann aus zwei Gründen nicht nachgegeben werden – selbst wenn sie vom Steuerberater initiiert ist: Erstens rechtfertigt es den Anfangsverdacht der Beihilfe zur Beitragshinterziehung. Zweitens sind die Folgen für den rechnungsstellenden Künstler unabsehbar. Sollte dessen nächste KSK-Mitgliedschaftsprüfung ergeben, dass er sein eigenes Einkommen überwiegend kaufmännisch (statt künstlerisch) erzielt hat, droht ihm der Rauswurf aus der Künstlersozialkasse.